UWE Geschichtenwettbewerb: UWE & der Blücher

Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns von Natalie M. aus Weisel noch eine UWE Geschichte…

UWE & der Blücher

Uwe, die kleine Smaragdeidechse, lag schlafend auf einer Schiefersteinplatte und träumte vor sich hin. Von großen Abenteuern, von Helden und Prinzessinen und von großen, alten Burgen. Wie die Burgruine Rheinfels, in deren Nähe er aufgewachsen war.

Leider erreichten die ersten Sonnenstrahlen an diesem Morgen schon sehr früh den Weinberg des Bopparder Hamms, in dem Uwe mit seiner Familie lebte.

Stöhnend hielt Uwe sich die Hände vor die Augen, um sich vor der Sonne zu schützen. Aber es nutzte nichts, denn in dieser Haltung war es ihm unmöglich, wieder ein zu schlafen. Normalerweise liebte er die Sonne und das Gefühl, wenn sie auf seiner schuppigen Haut brannte. Aber um Gottes Namen, nicht um diese Uhrzeit!

Widerwillig beschloss Uwe aufzustehen und einen morgendlichen Spaziergang zu unternehmen. Vielleicht würde er seine Freunde Wilhelmine, die Würfelnatter, oder Günther, die Langohrfledermaus treffen. Mit ihnen zusammen hatte er schon viele aufregende Dinge erlebt. Doch für Uwe gab es nichts Schöneres, als neue Gegenden rund um seine Heimat, den Mittelrhein, kennen zu lernen.

Gemächlich schlenderte Uwe den Weinberg hinauf, als plötzlich ein Stück Holz seine Aufmerksamkeit erregte. Das Stück Holz hatte eine seltsame Form, die Uwe dennoch bekannt vor kam. Natürlich, dachte er, die Schiffe, die den Rhein hinunter fahren, benutzen manchmal diese Holzstücker Uwe beobachtete für sein Leben gern den Rhein, und das bunte Treiben von Schiffen auf ihm. Manchmal stellte er sich vor, dass die Schiffe bis zu einem großen Meer fuhren und von dort aus die ganze Welt bereisten. So wusste er genau, dass die großen Dampfer solche Holzstücke nicht benötigten. Nein, kleine Schlauchbote paddelten oft mit solchen Dingern. Uwe war sich ziemlich sicher, dass die Menschen sie Ruder nannten.

Bei genauerem Betrachten viel ihm auf, dass das Holz schon ziemlich abgenutzt und alt aussah. Komisch, dachte Uwe. Dann müsste es ja schon ewig hier im Weinberg liegen. Wieso habe ich es erst jetzt entdeckt?

Vorsichtig betrat die kleine Smaragdeidechse das Stück Holz. Es fühlte sich angenehm auf seiner schuppigen Haut an. Da er seine Freunde noch nicht angetroffen hatte, beschloss er, auf seinem Fundstück eine kurze Pause zu machen.

Aber was war das?

Kaum hatte er sich mit seinem gesamten Körper auf das Ruder gelegt, drehte sich alles um ihn. Oder vielmehr, das Ruder begann sich zu drehen. Die Weinberge verschwanden, es drehte sich alles immer schneller um die kleine Eidechse herum.

Als Uwe’s grüne, schuppige Haut schon ganz blass wurde, verlangsamte sich das Tempo des Ruders endlich, bis es schließlich ganz stehen blieb.

Vorsichtig sah Uwe sich um. Eins stand fest, er befand sich nicht mehr in seinem Weinberg. Um ihn herum lag weißer, dichter Schnee und es war sehr dunkel. Soldaten in altertümlichen Gewändern liefen in Maßen um ihn herum, sodass er Angst bekam, sie würde auf ihn treten. Wo war er gelandet? Was hatte das alles zu bedeuten?

Doch ehe er länger darüber nachdachte, ertönte über ihm schon eine laute, durchdringende Männerstimme. “Was ist das denn? Eine Eidechse im Winter?” Und ehe Uwe sich versah, fand er sich auf der rauen, kalten Hand eines Menschen wieder.

Uwe wurde panisch, versuchte zu flüchten, doch der Mann hielt in fest in seiner Hand.

Nervös versuchte Uwe seine Stimme sehr böse klingen zu lassen und fragte den Mann: “ Wer sind Sie? Was machen Sie mit mir? Lassen Sie mich sofort los!”

“Aber, aber. Wer wird denn hier gleich unfreundlich werden?”, erwiderte der Mann, dessen Gesicht Uwe durch die Dunkelheit gar nicht erkennen konnte, was die Angelegenheit noch gruseliger machte.

“Dabei ist heut ein ganz besonderer Tag. Ein Tag, an dem die Menschen sich noch lange nach meinem Tod erinnern werden. Deshalb gibt es heute überhaupt keinen Grund schlecht gelaunt zu sein”, meinte der Mann.

Verwundert fragte Uwe, was denn heute für ein besonderer Tag sei.

“Nun”, der Mann räusperte sich, “heute werde ich mit den mir unterstehenden Gruppen, den Rhein überqueren und somit den vermaledeiten Bonaparte für immer aus unserem schönen Reich vertreiben, so wahr ich Blücher heiße!”

“Bonaparte? Rheinüberquerung? Bin ich hier denn nicht in Boppard?”, fragte die kleine Smaragdeidechse kleinlaut.

Der Mann, der sich so eben als Blücher zu erkennen gegeben hatte, begann zu lachen.

“Für wahr, kleiner Freund. Ihr habt einen ganz und gar außergewöhnlichen Sinn für Humor. Wisst Ihr denn nicht, dass wir uns hier in Kaub befinden, auf der rechten Seite des Rheins?”

“Nein”, Uwe war den Tränen nah. Zwar liebte er Abenteuer, aber nicht ganz allein, auf der anderen Seite des Rheins, ohne seine Freunde und mitten in der Nacht.

“Ich will zurück nach Hause”, jammerte er.

“Das wird gar kein Problem sein, denn wir werden ja gleich den Rhein überqueren, vorbei an der alten Pfalz-Grafenstein und dann am Ufer nahe Oberwesel anlegen. Von dort aus ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Boppard”, tröstete Blücher die Smaragdeidechse, während er auch seinen Griff etwas lockerte.

“Und warum überquert ihr den Rhein? Wegen diesem Bonaparte?”, fragte Uwe aufgeregt.

“Napoleon Bonaparte, der französische Kaiser, hat unser Land seit vielen Jahren unterdrückt, musst du wissen. Aber nicht nur unser Land, ganz Europa hatte er besetzt. Aber das hat jetzt endlich ein Ende. Es fehlen nur noch wenige Schlachten, und ich werde ihn besiegt haben!”, erklärte ihm der Blücher.

“Wow, das klingt ja nach einem richtigen Abenteuer. Wann geht es denn los?”, wollte Uwe nun wissen. Seine Angst war für einen Augenblick wie weg geblasen.

“Ach, wir wären schon längst auf der anderen Seite, wenn diese verfluchten Russen mal schneller machen würden!” Kurze Zeit war Stille in das Gespräch der beiden eingetreten. Dann begann Uwe langsam aber sicher immer stärker zu zittern; er war die Kälte nicht gewohnt.

“Nu komm in meine Jackentasche, ich werde jetzt eine Vorhut aussenden, die mit Schiffen den Rhein überqueren wird. Wer weiß, wie lang die Russen noch zum Bau der Brücke brauchen werden!”

In der Manteltasche des Feldherren war es schön warm, sodass Uwe bald gegen den Schlaf ankämpfte. Um sich herum hörte er noch mehrere Kommandos, die Blücher anordnete Er hörte Männer laufen, aufgeregte Stimmen schreien und schließlich das Plätschern von Wasser. Bald würde er zuhause sein. Und mit diesem Gedanken schlief er ruhig ein.

Als er erwachte, kitzelte etwas seine Nase. Er schlug die Augen auf und blickte in das Gesicht seiner Freunde Wilhelmine und Günther. ´

“Und? Gut geschlafen?”, fragte Günther kichernd.

“Ich… ich war auf der anderen Rheinseite in einem Ort namens Kaub. Da war ein Mann namens Blücher, der hat mich wieder nach Hause gebracht.”, murmelte Uwe, noch leicht verwirrt.

Beide fielen in schallendes Gelächter.

“Was ist los?”, wollte Uwe wissen.

“Nun ja”, sagte Wilhelmine, nach dem sie sich wieder etwas beruhigt hatte.

“Zum einen hast du hier gelegen und warst bestimmt nicht auf der anderen Rheinseite, und zum Anderen hat der Feldmarschall Blücher in der Neujahrsnacht von 1813 auf 1814 den Rhein überquert, also wirst du ihn wohl kaum kennen gelernt haben”.

“Doch, ich hab ihn kennen gelernt. Und er war sogar sehr freundlich. Freundlicher als ihr beide zumindest.” Uwe stapfte davon. Er war seinen Freunden böse, dass sie ihm nicht glaubten. Er hatte es doch mit eigenen Augen gesehen! Aber er beschloss niemandem mehr davon zu erzählen. Weder seinen Eltern, noch Ben, dem Siebenschläfer. Sie würden ihm ja doch nicht glauben. Aber er wusste was er erlebt hatte: Einen ganz besonderen Tag.

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